Von Duisburg nach Kiel
Anfang Juli 2011 ist ein Familienbesuch in Kiel geplant. Mir schwebte schon
immer die Idee vor, die Strecke mit dem Rad anstelle des Autos zu erfahren.
Meine Frau ist also mit den Kindern per Auto nach Kiel gefahren und ich einen
Tag später per Rad hinterher.
Geplant ist die Strecke auf dem kürzesten Weg zurückzulegen. Als
erstes Etappenziel ist Münster angedacht, wo bei Freunden übernachtet
werden kann. Außerdem möchte ich mir Bremen einmal ansehen und bei
der Gelegenheit auch gleich den höchsten Berg Bremens besteigen/befahren.
Damit steht als Elbüberquerung schon die Fähre
Wischhafen-Glückstadt fest.
Mit diesen Daten hab ich dann diverse Routensuchmaschinen gefüttert, und
das meiner Meinung nach beste Ergebnis brachte mir
Naviki.
In Ermangelung eines GPS Devices, das auch einige Tage ohne Stromversorgung
auskommt, hab ich die Route von Naviki mit der Kartennsicht hinterlegt
und soweit hineingezoomt, dass sich Straßennamen erkennen lassen. Diese
Einzelbilder habe ich dann in JPEGs konvertiert und in ein normales Smartphone
übertragen.
Somit hatte ich in ca. 130 Einzelbildern und wenigen MB nun die komplette
Strecke vorliegen. Ein Stapel Karten brauchte somit nicht mit.
Was allerdings mitkommt, sind ein kleines, leichtes Zelt, Isomatte und
Schlafsack, da ich keine Unterkünfte vorbuchen will. Eine Radtasche ist
somit schon mal voll, in die zweite kommt etwas Ersatzkleidung und obenauf noch
eine Tasche mit diversem Kleinkram, Regenschutz und ein paar Lebensmitteln
für unterwegs.
02.07.2011: Duisburg - Münster (128km)
Sommer in Deutschland. Es ist Juli, es ist kalt, es nieselt. Die Vorhersage
für die nächsten Tage ist auch nicht besser. Na Prima. Aber egal.
Lange Hose über die Radhose, Windjacke an, Helm auf und gegen 9:30 Uhr
starte ich meine Radtour. Die ersten Kilometer verlaufen ja noch durch
vertrautes Gebiet. Aus dem Duisburger Süden an der Regattabahn vorbei
durch den Stadtwald nach Oberhausen. Dann weiter am Centro vorbei und bei
Gladbeck verlasse ich so langsam das industriell geprägte Gebiet.
Am Kanal kurz vor Haltern
In Marl verliere ich kurz meine vorbereiteten Kartenausschnitte, aber das ist
kein Problem. Am Kanal entlang geht es nach Haltern und von dort weiter
über Sythen nach Dülmen. Um 16:30 erreiche ich nach 128 gefahrenen
Kilometern dann Münster, wo das erste Bier relativ schnell verdunstet.
03.07.2011: Münster - Vechta (115km)
Um 9 Uhr verlasse ich Münster Richtung Norden, vorbei an der
Lützowkaserne erreiche ich dann noch vormittags die ersten Ausläufer
des Teutoburger Waldes. Es geht bergauf. Das Wetter ist kühl und ab und
zu nieselt es leicht.
Irgendwo kurz vor dem Teutoburger Wald
Über Hagen am Teutoburger Wald und Holzhausen
erreiche ich zur Mittagszeit Osnabrück. Dort fülle ich die
verbrauchte Energie bei einem Bäcker mit Kaffee, belegten Brötchen
und Käsekuchen auf. Ist auch nötig, denn es geht danach über
den Haster Berg. Nach Alt Berenaue kommt ein meditatives Stück: Der
Campemoorweg.
Gestochener Torf am Campemoorweg
Schnurgerade durch die Moorlandschaft bis Rottinghausen. Hinter
Damme mache ich mir dann Gedanken, wo ich die nächste Nacht verbringen
will. Ich beschliesse, noch bis Vechta zu fahren und mir dort etwas zu suchen.
Direkt am Ortseingang halte ich beim Hotel am Pferdezentrum. 55€ scheinen
eine Alternative zu einer Zeltübernachtung. Außerdem kann ich mein
Fahrrad in der Garage unterstellen. Ersteinmal heiß duschen. Leider hat
das Hotelrestaurant Ruhetag, aber nebenan hat sich ein großer
amerikanischer Burgerbrater niedergelassen, dessen Drive In Schlange vermuten
lässt, dass Restaurantmässig in Vechta komplett Ruhetag ist.
Vechtas kulinarisches Highlight?
04.07.2011: Vechta - Hamberge (110km)
Gegen 08:30 Uhr verlasse ich das Hotel und rolle durch Vechta. Nach 5 Kilometern
stelle ich fest, dass ich vergessen habe den Zimmerschlüssel abzugeben.
Mist! Zurück mag ich nicht fahren. Ich entschliesse mich, von Bremen aus
dort anzurufen und anzubieten, auf der Rückfahrt den Schlüssel
persönlich dort abzugeben oder per Post zu schicken. In Wildeshausen
überquere ich die Hunte und übergebe einem örtlichen
Radhändler 10€ für eine Dose Sprühfett. Die Geräusche
an den Hinterradritzeln lassen sofort nach.
Es geht nun eine Weile in
größerem Abstand parallel zur A1, und ich erreiche zur Mittagszeit
Bremen. Als erstes steuere ich die Hauptpost an. Von dort schicke ich den
Zimmerschlüssel per Einschreiben zurück ans Hotel.
Sightseeing in Bremen
Die Stadtmusikanten
Nun kann ich mich auf Bremen konzentrieren. Also Blitzsightseeing. Roland,
Stadtmusikanten, Rathausplatz. OK! Nett! Schnell noch ein Mittagessen
eingeworfen. Neues Ziel: Friedehorstpark. Mit 32,5m über dem Meeresspiegel
die höchste Erhebung dieses Bundeslandes. Der von Naviki vorgeschlagene
Weg verläuft wunderbar oberhalb der Gröpelinger Heerstraße
durch einen langgezogenen Grüngürtel. Im Friedehorstpark findet sich
nichts, was auf den Gipfel hindeutet. Das Teil ist also nur per GPS zu finden.
Egal. Einen weiteren der "Sixteen Summits" abgehakt.
Die höchste Erhebung des Bundeslandes Bremen
Weiter geht es über Ritterhude nach Osterholz-Scharmbeck. Nun wird es wieder
Zeit, sich eine Unterkunft für die Nacht zu suchen. Nicht, weil es langsam
dunkel wird, aber die Beine werden schwerer.
Eine alte Radwanderkarte zeigt einen Campingplatz am Ohlenstedter Quellsee.
Leider stellt sich der Campingplatz als FKK Freizeitanlage mit festen
Häusern heraus. Keine Möglichkeit, dort für eine Nacht zu
bleiben. Mist. Wäre ich doch lieber Richtungs Worpswede im Teufelsmoor
abgebogen. Dort hätte ich wohl was gefunden.
So fahre ich weiter bis
Hamberge. Zwei Pensionen lehnen mich ab. Angeblich sind sie voll, eventuell
möchte man aber auch nicht für eine Nacht vermieten. Ein Zimmer
finde ich dann im Hotel Hamberger Krug. 38€ pro Nacht und im Krug selber
gibt es Hefeweizen und ein Zigeunerschnitzel mit Pommes. Der Wirt hat auch
noch ein paar kurzweilige Geschichten auf Lager. Perfekt. Nach dem zweiten
Weizen falle ich dann ins Bett.
05.07.2011: Hamberge - Kiel (183km)
Nach dem Frühstück sitze ich um 08:30 Uhr wieder auf dem Rad. Es
läuft. Es ist windstill, nicht mehr so kühl und der vorgeschlagene
Weg führt entlang der B74. Nervig sind dort nur die ekelhaften,
linksseitigen, benutzungspflichtigen Radwege. Da mir das in den Ortschaften zu
gefährlich erscheint, fahre ich dort dann einfach auf der Fahrbahn. Bei
den wenigen hupenden Oberlehrern den Mittelfinger zu heben erscheint
ungefährlicher als von querenden Autofahrern als staatlich gezwungener
Linksfahrer übersehen zu werden.
Linksseitige Radwege - ein Graus
In Ebersdorf fahre ich auf der B495 weiter. Kurz vor Wischhafen geht es links
ab in einen kleinen Moorweg und dann über die Glückstädter
Straße an einer 800m langen Autoschlange vor bis zum Fähranleger.
Knapp 80km sind geschafft und es ist erst um die Mittagszeit. So langsam reift
der Gedanke, einfach die nächsten 100km bis Kiel durchzuradeln.
Auf der Fähre nach Glückstadt
Auf der Fähre genehmige ich mir ein zuvor gekauftes Bier und eine Dose
Erdnüsse. Die Fährüberfahrt verläuft unspektakulär,
und ich bin nach einigen Minuten in Schleswig-Holstein. Die nächste
größere Stadt ist Itzehoe.
Schnurgerade durch Schleswig-Holstein
Die Offline Navigation per JPEG Bildchen funktioniert gut, und so bin ich bald
in Seedorf am Borgdorfer See. Bei Bordesholm überquere ich die A7 und nun
ist klar, dass ich die letzten 35km heute auch noch schaffen werde.
Leider verlässt mich kurz danach aber die Offline Navigation an einem
Reitweg. Es regnet leicht, und durch dieses Sumpfgelände will ich nun
wirklich nicht. Also wieder zurück und die akkufressende GPS Funktion
am Handy angeworfen. Dummerweise kann man dort keinen Fahrradmodus
wählen, sondern nur Autobahnen vermeiden. Das funktioniert solange,
bis an der L298 der Radweg endet und ich dort nicht weiter darf. Also
durch Blumenthal durch und die A215 überquert. Dann bin ich auf der L318
und damit wieder im Bereich meiner Offline Karten. Ab Molfsee kenne ich mich
dann wieder ein wenig aus, und ich passiere bald später den Kieler
Hauptbahnhof.
Die Gorch Fock im Kieler Tirpitzhafen
Nun muss ich nur noch über die Hochbrücke nach
Holtenau, wo mich meine Familie nach 183km dann erwartet.
Blick von der Hochbrücke auf das Ziel - Kiel-Holtenau
Fazit: Über 530km in 4 Tagen. Mit 183km Kilometern am letzten Tag meinen
neuen persönlichen Rekord. Keinen Platten. Nicht einmal die Regenhose
oder das Regencape ausgepackt. Kaum Gegenwind. Von daher lief es perfekt. Es
hätte etwas wärmer und sonniger sein dürfen. Das wurde es dann
aber an den nächsten Tagen in Kiel, so dass wir dann auch in der 18 Grad
"warmen" Ostsee baden konnten.
Naviki Radtourenplaner
Openrouteservice - bot mehr Optionen aber den schlechteren Weg
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